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Vorwort

Liebe Brandenburgerinnen und Brandenburger, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger!

 

Drei Jahre anstrengender Arbeit liegen hinter uns – hinter unserem Landesverband, unserer Landtagsfraktion, unseren Regierungsmitgliedern. Es waren auch drei harte Jahre des Lernens – des Lernens, wie man angesichts der tatsächlichen Möglichkeiten und Grenzen eines Bundeslandes und einer Landesregierung die eigenen politischen Zielstellungen umsetzen und im Auge behalten kann. Wie man mit dem Gegenwind innerhalb und außerhalb des Parlaments umgeht, wenn man Entscheidungen getroffen hat oder sie auch erst vorbereitet.

 

Dabei ist uns nicht alles gelungen, dennoch haben wir Machbares möglich gemacht auf dem Weg zu einer sozialökologischen Umbauperspektive für unser Land. Wir haben uns dabei immer bemüht, den Kontakt zu Ihnen, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger zu halten. Wir haben versucht, unsere Überlegungen und Entscheidungen zu erläutern, mit den gesellschaftspolitischen Akteuren im Land zu diskutieren und nicht zuletzt mit Ihnen selbst dazu ins Gespräch zu kommen – in den Wahlkreisen, bei den offenen Regionalkonferenzen unserer Partei oder anderen Gelegenheiten.

 

Je mehr Zeit ins Land geht, je mehr von unseren Vorhaben wir auf den Weg gebracht haben, desto deutlicher wird aber auch: Das Gespräch nur über die aktuellen Dinge reicht nicht mehr aus. Der Blick richtet sich wieder weiter nach vorn. Was kommt jetzt? Worauf konzentriert sich DIE LINKE? Was wird der künftige rote Faden der Landesentwicklung sein; welche Perspektive macht DIE LINKE auf?

 

Wir wollen darüber mit Ihnen ins Gespräch kommen. Wir wollen gemeinsam mit Ihnen die Aufgaben bestimmen und ihre Dringlichkeit abwägen, wir wollen Lösungsansätze finden und diskutieren, wir wollen nach den besten Antworten suchen, sie ausgestalten und festhalten. Wir denken dabei nicht nur in den kurzen Zyklen von Landtags-Legislaturperioden.

 

Unser Land Brandenburg hat eine lange, schwierige Geschichte. Aber: In dieser widersprüchlichen Geschichte haben Impulse von links immer wieder eine bestimmende Rolle gespielt, hat sich in neueren Zeiten eine bestimmte linke und demokratische Identität heraus gebildet, die dieses Land und seine Entwicklung prägt. In dieser Tradition sehen wir uns, daran knüpfen wir an.

 

Wir übersehen dabei nicht, dass das Territorium unseres Landes Brandenburg Ausgangspunkt und über lange Zeit das Zentrum jenes Preußen war, das mit seinem Militarismus, seiner Expansionswut, seinem Vorherrschaftsstreben Auslöser von so viel Elend für Deutschland, Europa und die Welt war. In unserer heutigen Landeshauptstadt Potsdam zogen die drei Hauptalliierten nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der Befreiung Deutschlands einen Schlussstrich unter diese Entwicklung und rangen um Grundlagen für eine friedliche Nachkriegswelt. 1947 löste der Alliierte Kontrollrat Preußen endgültig auf – als einen Staat, »der seit jeher Träger des Militarismus und der Reaktion in Deutschland gewesen ist«, und »geleitet von dem Interesse an der Aufrechterhaltung des Friedens und der Sicherheit der Völker und erfüllt von dem Wunsche, die weitere Wiederherstellung des politischen Lebens in Deutschland auf demokratischer Grundlage zu sichern«. Preußens Geschichte war beendet – und das diesseits der Oder in seiner ehemaligen Kernprovinz, der Mark Brandenburg, wieder erstandene Land bekam die zunächst nur kurzfristige Chance, auf neuer Grundlage zu sich selbst zu finden.

 

Die Mark Brandenburg war bis 1933 eine sozialdemokratische Hochburg. Karl Liebknecht entriss hier 1912 in Potsdam den sogenannten Kaiser-Wahlkreis dem deutschen Hochadel. Bei den letzten regulären Provinzial-Landtagswahlen im November 1929 lag die SPD mit knapp 35 Prozent um 15 Prozent über dem Reichsdurchschnitt der Sozialdemokraten. Brandenburg war kein revolutionäres Zentrum, die beiden Arbeiterparteien waren auch hier tief gespalten, die KPD zudem relativ schwach. Sie blieb während der Weimarer Republik in der Mark Brandenburg stets unter ihrem Reichsdurchschnitt.

 

An diese dennoch starke, wenn auch eher gemäßigt linke Prägung knüpfte Brandenburg nach dem Zweiten Weltkrieg und der Auflösung Preußens an und zog die Lehren aus der Geschichte. Bei den Landtagswahlen 1946 schnitt die SED als stärkste Partei ab; der frühere Sozialdemokrat Karl Steinhoff wurde Ministerpräsident. Auch nach der Auflösung der DDR-Bezirke und dem Wiedererstehen im Jahr 1990 lebte in Brandenburg die sozialdemokratische Tradition wieder auf. Aber sie hatte sich gewandelt und sie stand nicht allein. Die gesellschaftlichen Veränderungen und die widersprüchlichen Erfahrungen aus der DDR-Zeit wirkten dauerhaft nach.

 

Einerseits hatte sich das heutige Land Brandenburg in diesen Jahrzehnten verändert. Insbesondere in Ost-Brandenburg fanden sehr viele Umsiedler aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten nicht nur eine neue Heimat, sondern durch die demokratische Bodenreform auch eine neue Existenzgrundlage. Im Berliner Umland konzentrierten sich staatliche und wissenschaftliche Institutionen. Die Industriepolitik der DDR wertete in Brandenburg bis dahin schwach entwickelte und strukturell benachteiligte Landesteile auf. Die Lausitz mit ihrer Braunkohleförderung und -verstromung wurde zu einer der maßgeblichen Säulen der Energieversorgung des Landes. Das heutige Brandenburg zählte mit der Filmproduktion in Babelsberg, aber auch mit Theatern wie in Schwedt oder in Senftenberg zu einem der kulturellen Zentren der DDR.

 

Andererseits kam es 1989 auch zu gravierenden parteipolitischen Veränderungen. Angestoßen und getragen von großen Teilen der SED-Basis kam es zum radikalen Bruch mit Theorie und Praxis der einstigen Staatspartei. Wichtige Akteure dieses Wandels kamen aus Brandenburg und hatten sich bereits vor 1989 – wie Lothar Bisky – beziehungsweise in den Wendezeiten – so Heinz Vietze und Michael Schumann – als Protagonisten der demokratischen Umbrüche auch in der SED erwiesen. Die Autoren des von Michael Schumann auf dem Außerordentlichen Parteitag im Dezember 1989 vorgetragenen Referats zum unwiderruflichen Bruch mit dem Stalinismus kamen mehrheitlich aus dem heutigen Land Brandenburg. Die kritische wie differenzierte Auseinandersetzung mit dem realen Sozialismus der DDR und mit der Widersprüchlichkeit der damit verbundenen politischen Biografien hat seither bei der hiesigen LINKEN einen besonders hohen Stellenwert und besonders hohe gesellschaftliche Akzeptanz gefunden – bis in die Gegenwart hinein.

 

Die PDS in Brandenburg war – wie auch in den anderen ostdeutschen Flächenländern, aber doch auch auf besondere Weise – von Beginn ihres Bestehens an eine Volkspartei, die zugleich Teil einer – zumindest rechnerischen – linken Mehrheit nach den Umbrüchen von 1989. Es waren kulturelle und mentale Grenzen, die zunächst dagegen standen, aus der rechnerischen auch eine regierungsfähige linke Mehrheit zu machen. Dennoch war die PDS Anfang der 90er Jahre in Brandenburg – als einzigem neu entstandenem Land – eine verfassunggebende Partei. Im Ergebnis verfügte Brandenburg über eine der modernsten Landesverfassungen Deutschlands – sie zeichnet sich durch die Aufnahme sozialer Grundrechte, einen hohen Stellenwert für die direkte Demokratie, durch die Anerkennung auch anderer dauerhafter Lebensgemeinschaften neben der Ehe sowie einen erweiterten Gleichheitsgrundsatz aus: Jeder schuldet jedem die Anerkennung seiner Würde. Die Aufnahme von Staatszielbestimmungen, so insbesondere zum Recht auf soziale Sicherung und zum Recht auf Arbeit, macht die Aktualität der Brandenburger Verfassung deutlich.

 

Brandenburg war zunächst in vielerlei Hinsicht einen im Vergleich zu anderen ostdeutschen Ländern besonderen Weg gegangen. Dieser »Brandenburger Weg«, war auf der SPD-Seite vor allem durch Manfred Stolpe und Regine Hildebrandt bestimmt – den ersten Ministerpräsidenten des neuen Brandenburgs und seine langjährige Sozialministerin. Sie knüpften an die historischen und politischen Traditionen der Mark Brandenburg an und wollten den Bürgerinnen und Bürgern nicht nur ein Identitätsgefühl vermitteln, sondern suchten auch nach einem belastbaren Leitfaden für die Bewältigung der anstehenden Umbruchprozesse.

 

Für die PDS zeichnete sich dieser Brandenburger Weg durch einen ausgeprägten politischen Willen aus, im Interesse und unter Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger zu politischen Lösungen zu kommen. Er hatte einen starken Nährboden in der demokratischen Erneuerungsbewegung des Herbstes 1989 – und auch in der eigenen selbstkritischen Erkenntnis bezüglich der Vorgänge in der Vergangenheit. Es ging um soziale und ökologische Verantwortung und darum, ostdeutsche Spezifika aufzunehmen. Höhepunkt war die gemeinsame Arbeit an der Verfassung; Schwerpunkte waren aber auch die Rolle Brandenburgs als Tor zum Osten, die Einführung des Unterrichtsfaches Lebenskunde/Ethik/Religionskunde (LER), die Sicherung der Agrargenossenschaften, die aktive Gestaltung des zweiten Arbeitsmarkts und die sozialen Leistungen.

 

Trotz großer landespolitischer Anstrengungen konnten auch in Brandenburg massive wirtschaftliche und soziale Einbrüche nicht vermieden werden. Die PDS, dann DIE LINKE hatte diese Prozesse stets als konstruktive Opposition begleitet, sich allen Schwierigkeiten des Landes mit eigenen Konzepten gestellt und geachtet, was im Land unter großen Anstrengungen erreicht und aufgebaut worden war. Davon haben wir uns auch als Regierungspartei seit 2009 leiten lassen.

 

Als Linkspartei und SPD 2009 eine Koalition bildeten, war aus der traditionellen linken Mehrheit im Lande endlich auch eine gestaltende Kraft in der Landespolitik geworden. Das stieß allerdings auch auf erbitterten Widerstand. Parteipolitische Gegensätze wurden vor diesem Hintergrund deutlich schärfer zugespitzt und deutlich härter als in früheren Zeiten ausgefochten.

 

Andererseits nehmen auch in der Gesellschaft insgesamt Konflikte zu. Infrastrukturprojekte oder neue technologische Entwicklungen greifen in die Lebens- und Wohnbedingungen von Menschen ein. Weichenstellungen der Landespolitik wie etwa in der Schulpolitik und der Orientierung auf inklusive Bildung werden kontrovers diskutiert. Die Verteilung und Regelung von öffentlichen Ver- und Entsorgungsaufgaben sowie deren finanzielle Folgen für Kommunen, Haushalten und Unternehmen sind heftig umstritten. Andererseits gibt es Entwicklungen wie den Ausstieg aus der Braunkohleverstromung, die sich aus der Sicht von Abbaggerung Betroffener oder umweltpolitisch Engagierter nicht schnell genug vollziehen. Wir stellen uns solchen Auseinandersetzungen mit dem Anspruch, Interessenskonflikte und Meinungsverschiedenheiten in gemeinsamer Verantwortung auszutragen.

 

Das ist einerseits eine Frage der demokratischen Kultur, der Weiterentwicklung von Demokratie und Teilhabe im Land. Und andererseits braucht gemeinsame Verantwortung einen belastbaren Fundus an Gemeinsamkeiten mit Blick auf die Frage, wie wir in unserem Land leben wollen, welche Maßstäbe wir an Entscheidungen anlegen und welche Perspektiven wir anstreben. Wir haben uns stets als Teil einer großen, solidarischen Mehrheit in diesem Land verstanden.

 

Wir haben uns stets in der Verantwortung, nie als Avantgarde gesehen. Wir haben uns immer und zunehmend erfolgreich am Wettstreit um die besten Ideen für unser Land beteiligt. So wollen wir es jetzt wieder machen. Deswegen beginnt unsere Diskussion um ein Leitbild für Brandenburg erneut. Hier ist unser erstes Angebot.

 

Christian Görke
Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE im Landtag Brandenburg

Stefan Ludwig
MdL, Fraktion DIE LINKE im Landtag Brandenburg