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8.1 Aktuelle Herausforderungen für demokratisches Handeln

Die Zivilgesellschaft hat während der vergangenen Jahrzehnte aus gutem Grunde ausgeklügelte Verfahren entwickelt, um Vorhaben und Regelungen mit großer wirtschaftlicher, ökologischer und gesellschaftlicher Bedeutung im Hinblick auf ihre Folgewirkungen sorgfältig abzuwägen. In der Infrastruktur sind Planungszeiträume von weit mehr als einem Jahrzehnt keine Seltenheit mehr. Zwischenzeitlich mögen sich technologische, ökologische oder soziale Veränderungen abgespielt haben, die Sinn und Zweck des Projekts in Frage stellen. Der Zeitpunkt konventioneller Bürgerbeteiligung in Planungs- und Genehmigungsverfahren entfernen sich immer weiter vom Zeitpunkt der tatsächlichen Betroffenheit. Trotz formal korrekter Abläufe haben Bürgerinnen und Bürger das Gefühl, von Politik und Verwaltung als demokratische Akteure nicht ernst genommen zu werden und ihre Interessen nicht wirklich einbringen zu können.

 

Da der neoliberale Staat seinen Gestaltungsanspruch und die dazugehörigen rechtlichen wie finanziellen Instrumente ein gutes Stück weit aus der Hand gegeben hat, ist er von privater Wirtschaftsmacht erpressbar geworden. Unter solchen Verhältnissen laufen demokratische Verfahren in Gefahr, zu formalen Riten umfunktioniert zu werden. Das heißt dann »marktkonforme Demokratie«. Eine Politik, die von betriebswirtschaftlicher Rationalität, privater Gewinnmaximierung und Auslagerung der sozialen Kosten dominiert wird, untergräbt jedoch die gesellschaftlichen Fundamente unserer Demokratie und die Legitimität von Politik mit demokratischem Anspruch.

 

Das demokratische Ideal geht von eigenständig und verantwortlich handelnden Bürgern aus, die sich mit vergleichbaren Kapazitäten und Potenzialen gleichberechtigt in die politische Willensbildung einbringen. Die heutige Realität in der kapitalistischen Welt sieht jedoch anders aus. Extreme ökonomische Machtballungen setzen sich innerhalb wie jenseits demokratischer Verfahren sehr wirksam in der Politik durch. Wirtschaftliche Kartelle und politische Oligarchien gehen Allianzen ein, welche die Demokratie schrittweise aushöhlen. Ihre unheilvolle Wirkung zeigt sich in ihrem machtvollen Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung über »Denkfabriken« und Medien, in ihrem finanziellen Einfluss auf Wahlen von Repräsentativorganen wie auch in ihrer Fähigkeit zur Mobilisierung von Mehrheiten bei politischen Entscheidungen durch direkte Demokratie.