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4.1 Bildung ist die Quelle aller Nachhaltigkeit

In der Wissensgesellschaft ist Bildung die wichtigste Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe, für individuellen Wohlstand und für die politische Bewältigung der großen gesellschaftlichen Herausforderungen. Dieses Potenzial kann nur dann in vollem Umfang aktiviert werden, wenn der Zugang zur Bildung für Alle nicht nur auf dem Papier steht, sondern auf breiter Front umgesetzt wird. Im vergangenen Jahrzehnt ist zwar die Zahl der Abiturienten bei insgesamt sinkender Schülerzahl leicht gestiegen. Der Anteil von Schulabgängern ohne Abschluss ist um fast die Hälfte gesunken. Unter Rot-Rot wurden mehr Lehrer eingestellt. Dennoch bleiben erhebliche Defizite bestehen. Noch immer ist eine umfassende soziale Gleichheit in der Bildungsteilhabe nicht gesichert. Der Zugang zu höherer Bildung ist zu stark vom Status der Eltern abhängig. Frühe Auswahl durch das gegliederte Schulsystem schneidet Bildungschancen ab. Die Schulklassen sind, speziell in den Ballungsräumen, noch immer zu groß. Eine nachhaltige Personalausstattung ist noch immer nicht gesichert. Hinzu kommt, dass die Schulbildung strukturell nicht hinreichend auf die Anforderungen eingestellt ist, die aus den divergierenden demografischen Entwicklungen in den verschiedenen Landesteilen erwachsen.

 

Kurz und gut: Manches hat sich während der vergangenen Jahre verbessert, aber im Paradigmenwechsel, der dem Thema Bildung wirklich oberste Priorität in der öffentlichen Wertschätzung und in der Hierarchie der politischen Handlungsfelder verschafft, stehen wir noch am Anfang. Damit bei den öffentlichen Investitionen eine nachhaltige Trendwende vom Beton in die Köpfe erfolgen kann, brauchen wir einen gesellschaftlichen Lernprozess, der letztlich auch konsequentes politisches Handeln auf allen Ebenen erzwingt. Dieser Diskurs muss in Brandenburg noch intensiver geführt werden. Angesichts der erheblichen Diskrepanzen in der Finanzausstattung der Länder muss auch der Bund hier stärker in die Verantwortung genommen werden.

 

Zwölfjährige Gemeinschaftsschule einführen

 

Zentraler Bestandteil unseres bildungspolitischen Leitbilds ist die zwölfjährige Gemeinschaftsschule, die bis zur Hochschulreife führt. Diese Schule wollen wir – beginnend mit der nächsten Legislaturperiode – in Brandenburg einführen. Wir sehen darin die größte bildungspolitische Herausforderung der kommenden Jahre, denn sie ist mit einem veränderten pädagogischen Konzept verbunden – und es wird nur getragen durch ein Umdenken in der Gesellschaft, das einen breiten Dialog voraussetzt. Sowohl Eltern als auch Schulträger gilt es davon zu überzeugen, dass alle davon profitieren. Der inklusive Bildungsansatz fördert die fachliche und soziale Kompetenz aller Schüler. Besondere Fähigkeiten werden individuell gefördert, ebenso wie Defizite durch individuelle Zuwendung behoben werden. Soziale Barrieren und Behinderungen werden in der Gemeinschaft überwunden. Die Schule bereitet auf eine Gesellschaft vor, die vom Einzelnen hohes Fachwissen und Teamfähigkeit, Leistungsbereitschaft und sozial verantwortliches Handeln gleichermaßen einfordert. Bildung und Erziehung gehören zusammen.

 

Individuelle Förderung bedeutet individuelle Zuwendung. Im Klartext bedeutet dies bessere Lehrer-Schüler-Quoten, kleinere Klassen sowie zusätzliches Personal für den Kleingruppenunterricht, für die Begabtenförderung und die Nachhilfe. Junge kompetente und motivierte Lehrerinnen und Lehrer werden heutzutage in allen Bundesländern gesucht. Wer in diesem Wettbewerb um Fachkräfte bestehen will, muss eine gute Bezahlung und ordentliche Berufsperspektiven bieten. All dies ist ohne eine deutlich bessere Finanzausstattung des Schulsystems nicht zu haben.

 

In der guten Schule für Alle sollten Wissenserwerb und praktisch-produktive Anwendung wieder stärker miteinander verknüpft werden. Dies stärkt nicht nur die lebensweltliche Kompetenz der Schülerinnen und Schüler, sondern bereitet auch besser auf das Berufsleben vor. Durch Kooperationsbeziehungen können sich Schule und Wirtschaft gegenseitig unterstützen. Die Schülerinnen und Schüler lernen die Arbeitswelt kennen, die Unternehmen können frühzeitig vermitteln, welche Anforderungen sie an Auszubildende und Beschäftigte stellen. Das duale System der Berufsbildung bringt Fachkräfte mit sehr guter theoretisch-praktischer Qualifikation hervor. Es ist ein Wert, um den uns viele Länder beneiden. Im Spektrum der weiterführenden Bildungsangebote sollte dieser Bildungsweg auch künftig seinen Platz behalten und seine Qualitäten weiter ausprägen.

 

Innovationsschub in der Lehramtsbildung auslösen

 

Wir brauchen einen Innovationsschub in der Lehrerbildung. Der Erwerb von Fachwissen bleibt eine wichtige Voraussetzung. Entscheidend für den Bildungserfolg ist aber nicht, wie viel die Lehrkraft weiß, sondern wie viel von diesem Wissen den Schülerinnen und Schüler vermittelt werden kann. Unterrichtsmethoden und Didaktik der Wissensvermittlung müssen in der Lehrerbildung einen höheren Stellenwert erhalten. Diskursive Lehr- und Lernformen werden eine größere Rolle spielen, sowohl im Lehrer-Schüler-Verhältnis als auch im Klassenverband.

 

Regionale Diskrepanzen erfordern maßgeschneiderte Konzepte

 

Die regionalen Diskrepanzen erfordern maßgeschneiderte Konzepte, von verdichteten Bildungsangeboten mit pädagogischer Vielfalt in den Ballungsräumen bis hin zu Kleinstschulen und dezentralen Strukturen in dünn besiedelten ländlichen Räumen. Zumindest im Grundschulbereich sollte ein möglichst engmaschiges Netz an wohnortnahen Schulangeboten bewahrt bleiben. Weiterführende Schulen sollen in den zentralen Orten konzentriert werden, und dort möglichst in multifunktionalen Stadtzentren, wo die Einrichtungen der Daseinsvorsorge einander ergänzen und sich gegenseitig in ihrer wirtschaftlichen Tragfähigkeit unterstützen. Schulen in freier Trägerschaft bleiben fester Bestandteil der brandenburgischen Bildungslandschaft und tragen zur pädagogischen Vielfalt bei. In seinem Beitrag zur finanziellen Ausstattung der freien Schulträger orientiert sich Brandenburg am Grundsatz der Chancengleichheit für jede Schülerin und jeden Schüler im Land.

 

Landes- und Kommunalpolitik müssen sich ihrer Verantwortung für den Erhalt der in Brandenburg gesprochenen und europarechtlich geschützten Sprachen Niedersorbisch und Niederdeutsch stellen. Das Brandenburger Bildungssystem muss sehr viel stärker als heute die Bedürfnisse derjenigen berücksichtigen, die eine anerkannte Minderheiten- oder Regionalsprache noch als Muttersprache sprechen oder sich diese als Mutter- oder Fremdsprache aneignen wollen. Insbesondere die mehr als 10jährigen Erfahrungen mit dem Witaj-Projekt sind endlich auf die notwendigen konzeptionellen, schulorganisatorischen, personellen und auch finanziellen Grundlagen zu stellen. Denn Niedersorbisch gehört zu unserem Land – dauerhaft!

 

Frühkindliche Bildung soll qualifiziert und ausgebaut werden

 

Bildung beginnt in der frühen Kindheit. In Brandenburg wird traditionell großer Wert auf frühkindliche Bildung und Erziehung gelegt. Unter Rot-Rot wurde der Betreuungsschlüssel in den Kitas verbessert. Die Zahl der Kita-Plätze und der Kindertageseinrichtungen ist in den vergangen Jahren deutlich gestiegen. Inzwischen besuchen fast die Hälfte aller Kinder unter 3 Jahren und nahezu alle Kinder zwischen 3 und 6 Jahren eine Kindertageseinrichtung. Im Hinblick auf Versorgungsdichte und Qualität der frühkindlichen Erziehung nimmt Brandenburg in Deutschland ein Spitzenposition ein. Um diese Position dauerhaft zu halten, müssen die wohnungsnahen Betreuungsangebote entsprechend der jeweiligen demografischen Entwicklung in den einzelnen Regionen weiter ausgebaut und in ihrer Struktur bedarfsgerecht diversifiziert werden. Zur Sicherung der Qualität der frühkindlichen Bildung muss der Betreuungsschlüssel weiter deutlich verbessert werden. Der erhöhten Verantwortung und Arbeitsbelastung von Erzieherinnen und Leiterinnen müssen die Arbeitszeiten angepasst werden. Die Qualifikation der Erzieherinnen kann durch spezialisierte Bildungsangebote im Hochschulbereich weiter verbessert werden. Wichtig ist uns ein breiter und fairer Wettbewerb der unterschiedlichen Konzepte frühkindlicher Bildung um die besten Ergebnisse.

 

Bildung hört nach Schule oder Universität nicht auf. Die Wissensgesellschaft fordert lebenslanges Lernen ein. Ein breites Angebot zur Qualifikation und Weiterbildung im Erwachsenenbereich ist zugleich auch ein Beitrag zu mehr sozialer Chancengleichheit, speziell für Menschen, die aus sozial benachteiligten Verhältnissen kommen. Das Netz der Volkshochschulen soll bewahrt und auf die zentralen Orte konzentriert bleiben. Zudem sollen die Einrichtungen der innerbetrieblichen Fortbildung und die freien Bildungsträger unterstützt und gefördert werden, insbesondere auch durch den Einsatz des Europäischen Sozialfonds (ESF).

 

Zugleich muss sich Bildung in Brandenburg auf neue Formen und Herausforderungen des gesellschaftlichen Lebens einstellen. Wenn digitale Kommunikation auch in der öffentlichen Daseinsvorsorge und Verwaltung zunehmend eine Rolle spielt, brauchen Menschen aller Generationen dafür mehr Kenntnisse, als sie sich beim Learning-by-Doing oder der allein hobbymäßigen Nutzung von Computern, Internet und sozialen Netzwerken erlernen und einüben lassen. Medienkompetenz als Bildungsziel muss um Internet-Kompetenz erweitert werden.