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3.2 Die Energiewende – tiefgreifender Strukturwandel in Richtung Nachhaltigkeit

Brandenburg ist Energieland und will Energieland bleiben. Es war und ist noch ein Land der Braunkohlenförderung und Braunkohleverstromung – es ist bereits und wird in zunehmendem Maße ein Land der Erneuerbaren Energien. Schon jetzt hat unser Land dabei eine Vorreiterrolle in Deutschland und Europa inne. Mit der von der rot-roten Koalition beschlossenen Energiestrategie 2030 geht Brandenburg einen weiteren wichtigen Schritt – vom aktiven Bekenntnis zum Vorrang für Erneuerbare Energien hin zur Gestaltung des technologischen und gesellschaftlichen Durchbruchs für Erneuerbare Energien. Kern ist dabei die Systemintegration Erneuerbarer Energien. Wir rücken damit eine Basistechnologie unserer Zeit ins Zentrum politischer, ökonomischer, sozialer und gesellschaftlicher Anstrengungen und Veränderungen. Damit werden nicht nur technische Innovationen herausgefordert.

 

In der Energieerzeugung erfolgt der Übergang von der Zentralität zur Dezentralität. Auf der Unternehmensseite fächert sich die Struktur auf – die Bedeutung des bisherigen Monopolisten Vattenfall geht zurück, neue Unternehmen treten auf, neue Organisationschancen können und müssen genutzt werden.

 

Stadtwerke als Eckpfeiler einer nachhaltigen Energiewirtschaft stabilisieren

 

Das zukünftige Energiewirtschaftssystem wird dezentraler und mittelständischer geprägt sein. Es zeichnen sich weitreichende Veränderungen vor allem in den Erzeugungs- und Netzinfrastrukturen ab. Stadtwerke als wesentlicher Eckpfeiler einer nachhaltigkeitsgerecht fortentwickelten Energiewirtschaft sind mit ihren dezentralen Erzeugungs- sowie Netzinfrastrukturen und Energiedienstleistungen verlässliche Partner. Mit ihren geplanten umfangreichen Investitionen in effizientere Kraftwerke, die Erhaltung und Erweiterung der zukünftig »intelligenten« Verteilernetze sowie durch den Ausbau ihres Energiedienstleistungsangebots für die Wirtschaft und die Privatkunden können Stadtwerke auch einen beachtlichen Beitrag zur Erreichung der gesellschaftlich gewollten Energiewende leisten. Das Engagement der Stadtwerke ist in wesentlichem Maße darauf angewiesen, dass langfristig belastbare ordnungspolitische Rahmenbedingungen gesetzt und die kommunale Energiewirtschaft auf ausreichende Investitionsanreize vertrauen kann.

 

Im Zuge der Energiewende verwandeln sich bisherige Schwächen in gefragte Ressourcen – Flächen in dünn besiedelten Gebieten können in Wind- oder Solarparks umgewandelt werden. Neue Konkurrenzen entstehen – bei der Frage, ob Äcker landwirtschaftliche Nutzfläche bleiben oder dem Anbau von Biomasse nutzen sollen. Bürgerinteressen werden berührt – in die bisherige Stille mischt sich das Brummen von Windrädern oder das Summen von Elektroleitungen. Für viele bricht der bislang abstrakte Wunsch nach Erneuerbaren Energien an der Frage, ob und wie weit sie das eigene Lebensumfeld verändern dürfen. Bürgerinnen und Bürger wie auch Gemeinden fragen sich, ob sie den Aufbau einer Erneuerbare-Energien-Wirtschaft fremden Investoren überlassen sollen, oder ob sie sich selbst engagieren, ob sie selbst investieren – zum eigenen Nutzen und zum Nutzen der Allgemeinheit.

 

Beteiligung an den Prozessen der Energiewende bedeutet aber nicht nur Beteiligung an Planungsprozessen. Es bedeutet vielmehr auch, Wege aufzuzeigen, wie Bürgerinnen und Bürger und Kommunen direkt Vorteile aus der dezentralen Stromproduktion ziehen können. Mit der vom Wirtschaftsministerium vorgelegten Studie zu Bürgerbeteiligungsmodellen werde dazu Wege aufgezeigt. Neue Chancen, neue Interessen keimen auf. Das Veränderungspotenzial der Erneuerbaren Energien ist größer, als es durch eine Top-Down-Strategie von Landespolitik und interessierten Unternehmen ausgeschöpft werden könnte. Politik und (umwelt-)politisch Engagierte können und müssen mehr leisten, als für die Erneuerbaren Energien zu werben oder Widerstand von Bürgerinnen und Bürgern aus höherer Überzeugung tapfer argumentativ zu widerstehen.

 

Energiewende in Bürgerhand, Genossenschaften und Eigentümergemeinschaften bilden

 

Wer die Gesellschaft nach vorn verändern will, muss Interessen daran wecken, organisieren, unterstützen und bündeln. Warum sollen Menschen nur individuell ihr eigenes Haus mit Solarzellen energetisch unabhängig machen? Warum tun das nicht Gemeinden, Kietze oder Eigentümergemeinschaften? Man kann kommunale oder Bürger-Genossenschaften bilden, die kleine Wind- oder Solarparks betreiben – zum Nutzen der Kommune, zum Nutzen der Einzelnen. Erfolgversprechende Pilotprojekte und kluge Modelle dafür gibt es. Diese Impulse sind von der Landesregierung in vielfältiger Art und Weise aufgegriffen worden. Akzeptanz und Beteiligung sind als neuer Bestandteil in das bisherige Zieldreieck von Umwelt- und Klimaverträglichkeit, Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit aufgenommen worden. Durch das REN plus-Programm werden Regionale Planungsgemeinschaften und Kommunen bei der Erstellung regionaler Energiekonzepte unterstützt. Projekte kleiner und mittlerer Unternehmen zur Verbesserung der Energieeffizienz werden durch ein spezielles Programm der ILB gefördert.

 

Strukturwandel wird nie ein eindimensionaler, widerspruchsfreier Vorgang sein. Strukturwandel ist die Gleichzeitigkeit von Vergehen und Entstehen, er ist das möglichst vorwärts gewandte Lösen von Konflikten. Mit dem Erstarken der Erneuerbaren Energien in Brandenburg rückt der Abschied von der Braunkohleverstromung heran. Eine Vollversorgung Brandenburgs und Berlins aus erneuerbarem Strom zu jeder Stunde des Jahres ist spätestens bis zum Jahr 2030 rein rechnerisch möglich; die Energiestrategie 2030 hält sogar einen früheren Zeitpunkt für möglich. Dies auch technisch zu ermöglichen, setzt aber die Speicherfähigkeit der Erneuerbaren Energien und, wie in der Energiestrategie als Aufgabe benannt, deren Systemintegration voraus.

 

Speichertechnologien fördern, Netze maßvoll entwickeln

 

Die Region Berlin-Brandenburg ist jedoch kein autarkes Versorgungsgebiet. Brandenburg ist fest eingebunden im deutschen bzw. europäischen Energieverbund – und wird dort auch gebraucht, so lange z. B. Länder wie Baden-Württemberg den Ausfall des dort erzeugten Atomstroms nicht aus selbst produzierten Erneuerbaren Energien oder durch Zulieferungen von Überschüssen aus Erneuerbaren Energien aus dem Norden Deutschlands kompensieren können. Dafür allerdings müssen die notwendigen Netze und Speichertechnologien erst kommen. 4000 km neue Trassen sind notwendig. In den letzten fünf Jahren sind aber durchschnittlich nur 18 km pro Jahr neu gebaut worden. In Brandenburg hat die Zunahme von Energieproduktion aus erneuerbaren Quellen vor diesem Hintergrund zu Ungleichgewichten von Einspeisung und Netzlast geführt. In wachsendem Umfang kann die erzeugte Energie gar nicht mehr fortgeleitet werden.

 

Nicht nur für den Netzausbau hat die Bundesregierung seit ihrer jähen Wende zum Atomausstieg keine Strategie, keine Koordination und keinen Masterplan. Das EEG ist dringend reformbedürftig, umlagefinanzierte Anreize stoßen an ihre Grenzen. Anreize fehlen oder laufen aus – mit dramatischen Folgen wie für die Solarindustrie. Wirksame Finanzierungsinstrumente sind nicht vorhanden, gegen die wachsenden Energiekosten für die Verbraucher fehlt ein Konzept. Hier besteht dringender Änderungsbedarf! Brandenburg allein kann diese Defizite nicht kompensieren.

 

Vernünftige Kriterien für Flächennutzungskonkurrenz einführen

 

Welche widersprüchlichen Effekte mit der Energiewende einher gehen, wird im ländlichen Raum besonders deutlich. Die Wende hin zu den Erneuerbaren Energien trägt mit zu einer Flächennutzungskonkurrenz bei, für die es vernünftige Kriterien und Rahmen braucht. Der weiter um sich greifende Anbau von Energiepflanzen löst nicht nur Ackerland aus dem Bestand landwirtschaftlicher, also auf Nahrungsmittelproduktion ausgerichteter Nutzfläche heraus, sondern droht die Böden auszulaugen, weil Fruchtwechsel nicht stattfinden. Ein anderer Teil der landwirtschaftlichen Nutzfläche geht an Bau- und Infrastrukturprojekte, aber auch an den Naturschutz verloren.

 

Erneuerbare Energien und nachwachsende Rohstoffe, die einen hohen regionalen Verarbeitungsgrad haben, sind dennoch zu recht fester Bestandteil künftiger Entwicklung im ländlichen Raum. Das Dorf muss aber sowohl in seiner traditionellen Rolle als Lebensmittelproduzent als auch in den neuen Funktionen als Landschaftspfleger und Hersteller nachwachsender Rohstoffe eine Perspektive erhalten.