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2. Demokratische Teilhabe:

Unsere Demokratie lebt von kompetenter und eigenverantwortlicher Teilhabe aller

Politische Teilhabe ist Voraussetzung für nachhaltige Entwicklung. Sie ist eine enorme soziale Ressource, die integrierend und mobilisierend auf das Gemeinwesen wirkt. Ein demokratisch verfasstes Brandenburg lebt von der selbstbewussten, kompetenten und eigenverantwortlichen Teilnahme aller an den politischen Prozessen.

Dazu bedarf es einer Bürgergesellschaft, die lokal, regional und landesweit verankert ist. Die Bürgergesellschaft ist ein Ort der Solidarität und Gleichheit. Wir stellen uns damit auch gegen eine neoliberale Logik des Ausschlusses, die unter dem Schlagwort der Effizienz demokratische Mitgestaltung an der Politik als antiquiert verteufelt.

Voraussetzungen für die demokratische Teilhabe

Teilhabe braucht ein materielles Fundament und verfügbare Zeit

Die Akteure, seien es die einzelnen Bürgerinnen und Bürger oder die Kommunen, Interessengruppen, Verbände und Parteien benötigen Gestaltungspotentiale und Gestaltungsräume. Um politisch aktiv zu sein und seine bürgerschaftliche Verantwortung wahrzunehmen, braucht man und frau ein solides materielles Fundament und frei verfügbare Zeit. Für Viele in unserer Gesellschaft sind beide Ressourcen knapper geworden, das betrifft den arbeitsuchenden Erwerbslosen ebenso wie den gestressten Jungunternehmer. Auch kennt so mancher seine politischen Mitwirkungsrechte nicht, sei es bei der Einsicht in Akten eines Landesministeriums oder in der Einwohnerfragestunde seiner Gemeindevertretung.

Kommunen, die finanziell gerade die Pflichtaufgaben abdecken, sind nicht zu politischem Handeln fähig. Ministerielle Zuwendungen und Förderbescheide werden zu Instrumenten eines technokratischen Zentra-lismus, der eigenverantwortliches Handeln erstickt. Dann verwandeln sich selbstbestimmte Akteure in verwaltete Einheiten. Zugleich erleben wir, dass wirtschaftlich potente Interessengruppen ihre politischen Ziele immer mehr an den Institutionen der repräsentativen Demokratie vorbei lancieren. Dies alles ist eine Herausforderung für die Funktionsfähigkeit und Legitimität unserer Demokratie.

Demokratie braucht verlässliche Institutionen und offenen Wettbewerb

Demokratische Teilhabe für alle benötigt einen Staat, der rechtliche Rahmenbedingungen setzt, die Menschen zur Mitbestimmung einlädt und die Chancengleichheit unterschiedlich starker Akteure wahrt. Demokratie braucht verlässliche Institutionen, in denen selbstbestimmte politische Akteure ihre Interessen im offenen Wettbewerb wahrnehmen: vom Ortsteil über die Gemeinde, dem Landkreis, die kreisfreie Stadt bis hin zur Landesebene. Dies ist Voraussetzung für jede lebendige und handlungsfähige Bürgergesellschaft. Die demokratische Qualität des Staatswesens wird auch in Brandenburg daran gemessen, wie gut diese Voraussetzungen geschaffen und gepflegt werden.

Mehr Demokratie wagen

Demokratische Teilhabe erfolgt in modernen und differenzierten Gesellschaften in verschiedenen Formen. Der Bürgergesellschaft stehen hierfür Wege der repräsentativen und direkten Teilhabe zur Verfügung. Demokratie als Grundprinzip gesellschaftlicher Willensbildung findet im Parlament wie außerhalb des Parlaments statt. Stärkung des Parlaments und Ausbau der plebiszitären Instrumente sind keine Gegensätze. Sicherlich ist dieses Verhältnis nicht spannungsfrei, jedoch entspringt aus dieser produktiven Spannung ein Mehr an Demokratie in Brandenburg.

Parlament gegenüber der Regierung stärken

Nach den bisherigen Erfahrungen in Brandenburg sollte das Parlament gegenüber der Exekutive gestärkt werden. Beispiele aus anderen Ländern zeigen, wie größere Informations- und Kontrollrechte sowie eine bessere finanzielle und personelle Ausstattung das Parlament gegenüber der mächtigen Ministerialbürokratie zu einem wirklich gleichgewichtigen Akteur machen. Für die vorhandenen Formen der direkten Demokratie sollten die Hürden niedriger und die Regularien einfacher werden.

Lokale Fragen vor Ort entscheiden, Kompetenzen und Finanzen gehören zusammen

Ein weiterer Weg zu mehr Demokratie besteht darin, die Entscheidungen näher an die Bürgerinnen und Bürger vor Ort zu verlagern, in der Endkonsequenz in die Städte und Gemeinden. Sie brauchen klare Kompetenzzuweisungen, eine konsequent arbeitsteilige Verwaltung ohne Doppelstrukturen und eine ausreichende Finanzausstattung, um im Rahmen ihrer Kompetenzen wirklich eigenständig handeln zu können. Lokale Fragen sollen im Grundsatz vor Ort entschieden, umgesetzt und finanziert werden. Das Geld für den neuen Fahrradweg muss nicht über die x`te Förderschiene kommen. Es kann auch gleich im örtlichen Haushalt angesiedelt und nach verantwortungsvoller Abwägung der lokalen Handlungsprioritäten bewilligt werden.

Gewählte Vertretungen stärken: Mehr Kompetenz für kompetentere Entscheider!

Auch auf lokaler Ebene führt der Weg zu mehr Demokratie zu allererst über die Stärkung der gewählten Vertretungen. Je größer die lokalen Handlungsmöglichkeiten werden, desto mehr macht es wieder Sinn und Spaß, sich in der lokalen Politik zu engagieren, was wiederum die personelle Kompetenz und Qualität der Volksvertreter verbessert. Neue Formen direkter Teilhabe, wie zum Beispiel die Bürgerhaushalte, sollten auch in Brandenburg stärkere Verbreitung finden. Integriert in die repräsentativen Strukturen stärken sie ebenfalls die lokale Demokratie.

Teilhabe am Wirtschaftsleben: Mitbestimmung erhalten, neue Formen finden

Unser Leben wird zu großen Teilen durch wirtschaftliche Zusammenhänge bestimmt. Umso wichtiger ist es, die demokratischen Instrumente im Wirtschaftsleben weiter zu entwickeln. Die betriebliche Mitbestimmung muss gemeinsam mit den Gewerkschaften erhalten und vertieft werden. Angesichts der Realitäten in den vielen kleinen und mittleren Unternehmen hierzulande brauchen wir auch neue Formen der Teilhabe an den innerbetrieblichen Entscheidungsprozessen. Gemeinschaftliche und genossenschaftliche Eigentumsformen sollten besser gefördert und gesetzlich geregelt werden. Gerade in innovativen Branchen mit neuartigen Organisationsstrukturen besteht hier ein Nachholbedarf.

Heranwachsende Generation einbeziehen und für Demokratie begeistern

Ausweitung der demokratischen Teilhabe soll nicht auf Erwachsene beschränkt bleiben. Angesichts wachsender sozialer Ungleichheit und Kinderarmut ist es an der Zeit, mehr für die Teilhabe der heranwachsenden Generationen am gesellschaftlichen Leben zu tun. Das bedeutet zunächst einen unkomplizierten und materiell gesicherten Zugang zu Bildung, Kultur, Freizeitangeboten und Sport. Kinder- und Jugendparlamente sowie andere Formen der Mitbestimmung sind Foren, in denen die Heranwachsenden ihre Interessen zum Ausdruck bringen und demokratische politische Kultur einüben. Diese demokratischen Foren müssen dann auch mit Entscheidungskompetenzen ausgestattet sein, es geht um mehr als nur um mitreden.

Mehr Gestaltungsmöglichkeiten für sprachliche und kulturelle Minderheiten

Mehr Demokratie wagen bedeutet auch Ausbau der Partizipationsmöglichkeiten der sprachlichen und kulturellen Minderheiten, egal ob sie seit Jahrhunderten hier leben, so wie die Sorben (Wenden) sowie die Sinti und Roma, oder erst in den letzten Jahrzehnten Brandenburger wurden. Sie alle müssen das Recht haben, nicht nur die sie betreffenden Angelegenheiten diskutieren, sondern auch in stärkerem Maße als heute entscheiden zu können.

Demokratische Teilhabe auf europäischer Ebene wirksamer wahrnehmen

Dringend notwendig ist eine Ausweitung der demokratischen Teilhabe auf der europäischen Ebene. Die Europäische Union steckt auch für die Politik in Brandenburg den Rahmen ab, sei es durch rechtliche Regelungen oder durch Fördermittel. Große Bereiche unserer Wirtschafts- und Rechtsordnung werden in Brüssel bestimmt. Mit der weiteren Europäisierung der Politik wird sich dieser Trend noch verstärken.

Deshalb müssen auch in Brandenburg endlich jene Instrumente greifen, die von Parlamenten und Regierungen anderer deutscher Länder genutzt werden, um auf die europäische Willensbildung einzuwirken und die demokratische Kontrolle innerhalb der EU zu stärken.