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III. Bilanz seit 1990 - Aufbruch und Stillstand

1990 - bürgerliche Freiheiten und wirtschaftliche Herausforderungen

Das Jahr 1990 brachte Brandenburg einen Neuanfang. Der politische Umbruch hatte für die Menschen dieses Landes sehr unterschiedliche Auswirkungen: Über Nacht gab es bürgerliche Freiheit, Bürgerrechte wurden gelebt. Zugleich wurden bisherige Weltbilder und Lebensentwürfe radikal in Frage gestellt. Die Existenzgrundlagen vieler Brandenburger zerbrachen. Das Land erlebte eine nahezu flächendeckende Deindustrialisierung und einen weitgehenden Wechsel der Eliten in Politik und Verwaltung, Wirtschaft und Kultur.

Der Neuanfang in eine ungewisse Zukunft setzte ein. Vor allem der Ansporn, eigene Wege zu gehen und das Schicksal selbst in die Hand zu nehmen, brachte das Land wirtschaftlich, kulturell und politisch voran. Recht schnell entwickelte sich eine brandenburgische Identität, die alle Regionen des Landes verbindet.

Widersprüchliche Bilanz seit dem Neustart:

Die Bilanz seit dem Neustart des Landes Brandenburg fällt widersprüchlich aus. Auf der Habenseite steht nicht wenig. Die Menschen in unserem Land haben hart gearbeitet und vieles erreicht.

Durch harte Arbeit wurde vieles erreicht ….

  • Eine leistungsfähige moderne Infrastruktur. Seit 1990 wurden in Brandenburg alle Infrastrukturbereiche ausgebaut. Seit 1991 wurden 11.000 Straßen- und 5.000 Schienenkilometer erneuert. Das brandenburgische Kommunikationsnetz gehört heute zu den modernsten der Welt.

  • Eine vitale Hochschul- und Forschungslandschaft. Mit über 100 wissenschaftlichen Einrichtungen, die sich in Brandenburg und Berlin entwickelt haben, nimmt unsere Region eine europäische Spitzenstellung ein. Darunter befinden sich allein 15 Hochschulen. Diese Wissenschaftslandschaft bündelt kreative Energien, erzeugt Innovationen und trägt wesentlich zur Weltoffenheit der Region bei.

  • Gute Standards in der Kinderbetreuung. Im bundesweiten Vergleich hat das Land ein recht hohes Niveau bei der Kindertagesbetreuung. Fast 40 Prozent der Kinder bis drei Jahre haben einen Krippenplatz, nahezu alle Kinder von drei bis sechs Jahren einen Kitaplatz und gut 46 Prozent der sechs- bis 12-Jährigen einen Hortplatz.

  • Verbesserte Umweltsituation. Das Land ist lebenswerter und gesünder geworden. Viele Umweltindikatoren entwickeln sich positiv. Die Gewässergüte hat sich verbessert. Erneuerbare Energien werden stärker genutzt und der Flächenverbrauch nimmt ab. Der ökologische Landbau kommt voran. Viele Großschutzgebiete, darunter ein Nationalpark und zwei Biosphärenreservate, sowie zahlreiche Naturschutzgebiete wurden ausgewiesen. Ausgedehnte Militärbrachen sind für die zivile Nutzung ertüchtigt worden.

  • Verfall der Innenstädte gestoppt. In vielen brandenburgischen Städten konnten die Stadtkerne mit ihrer kulturhistorisch wertvollen und identitätsstiftenden Bausubstanz durch massive Sanierungsprogramme gerettet werden.

…. aber Fehlleistungen und politisches Versagen trüben die Bilanz

Die Bilanz wird jedoch durch gravierende Fehlleistungen, Misserfolge und Defizite getrübt, wofür die Landesregierung eine große Verantwortung trägt.

  • Schlusslicht beim Wirtschaftswachstum. Gemeinsam mit Berlin und Mecklenburg-Vorpommern gehört Brandenburg seit längerem zu den Ländern mit dem geringsten Wirtschaftswachstum. Noch zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts hatte Brandenburg das höchste Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner in Ostdeutschland. Inzwischen hat sich der Rückstand zu Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt immer mehr vergrößert. Verfehlte industriepolitische Schwerpunktsetzungen und fehlgeschlagene Großprojekte der Landesregierung, wie die Chipfabrik in Frankfurt oder der Lausitzring, haben zweifellos zu diesem negativen Trend beigetragen.

Schwaches Wachstum, hohe Arbeitslosigkeit

  • Dauerarbeitslosigkeit als soziales Hauptproblem. Der dramatische Abbau von Arbeitsplätzen zu Beginn der 1990er Jahre konnte bis heute nicht ausgeglichen werden. Die Arbeitslosenquote ist seit Jahren doppelt so hoch wie der Bundesdurchschnitt. Daran hat sich auch durch die jüngste konjunkturelle Belebung am Arbeitsmarkt wenig geändert. Besonders dramatisch ist die Arbeitslosigkeit der unter 25jährigen, weil dies die Tendenz zur Abwanderung verstärkt. Das Fehlen von Erwerbsmöglichkeiten und beruflichen Perspektiven gehört zu den grundlegenden Schwächen des Landes. Arbeitslosigkeit wirkt als Katalysator vieler sozialer, wirtschaftlicher und politischer Konflikte im Land.

Wort und Tat in der Bildungspolitik klaffen weit auseinander

  • Unterfinanzierung der Bildung. Brandenburg ist seit Jahren Schlusslicht im Ländervergleich der Pro-Kopf-Ausgaben je Schüler ebenso wie für die Hochschulen. Die Bildungsinfrastruktur im gesamten Land wurde ausgedünnt. Diese Entwicklung beeinträchtigt die Lebenschancen der Brandenburger Schülerinnen und Schüler, Studentinnen und Studenten gravierend. Die junge Generation muss ihr Glück anderswo suchen. In keinem anderen Bereich klaffen Wort und Tat der Landesregierung so weit auseinander wie in Bildung und Wissenschaft.

Lebensqualität eingeschränkt, Fähigkeit zur Selbsthilfe unterminiert

  • Angespannte soziale Situation. Die hohe Arbeitslosigkeit trifft in Brandenburg auf eine geringe soziale Absicherung vieler Menschen. Das verfügbare Einkommen, die Spareinlagen und das Wohneigentum liegen in Brandenburg unter dem Bundesdurchschnitt. Einige soziale Schichten trifft dies besonders hart, insbesondere Kinder in einkommensschwachen Familien. Unter diesen Umständen wirken sich Einschnitte ins soziale Netz dramatisch aus. Appelle zu mehr Eigenvorsorge gehen somit für viele Brandenburgerinnen und Brandenburger an der Realität vorbei. Die Lebensqualität vieler Menschen wurde eingeschränkt, deren Fähigkeit zur Selbsthilfe unterminiert.

Finanzielle Spielräume für nachhaltige Politik sind verbaut

  • Katastrophale Situation der öffentlichen Haushalte. Die Haushaltssituation im Land und in den Kommunen hat sich in den vergangenen Jahren stetig verschlechtert. Die Verschuldung des Landes ist mittlerweile auf 18 Mrd. Euro gestiegen. Die Abhängigkeit von Transferzahlungen bleibt hoch. Die finanziellen Spielräume für eine Politik, die nicht nur ihre gesetzlichen Pflichtaufgaben verwalten will, sondern nachhaltige Entwicklung mit eigenem Gestaltungsanspruch betreiben sollte, sind eng. Die von der Landesregierung durchgesetzten Einschnitte im sozialen Bereich – beim Landespflegegeld für Blinde, Gehörlose und Schwerbehinderte, bei ambulanten sozialen Diensten, bei Frauenzentren, bei Betreuungsvereinen – haben den Landeshaushalt nur wenig entlastet, aber den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft erheblich geschwächt.

Fazit

Seit Mitte der 1990er Jahre geht es im Land nicht mehr so recht voran. Der Versuch, den Aufbau Ost in Brandenburg als bloße Kopie westdeutscher Modelle zu gestalten, ist gescheitert. Die Landesregierung erzeugt kaum noch Entwicklungsimpulse. Probleme wurden zu spät erkannt, die demographische Entwicklung lange Zeit nicht ernst genommen, finanzielle Spielräume durch fehlgeschlagene Großprojekte verspielt. Sinnvolle Politikansätze wie die „Dezentrale Konzentration“ setzte man nicht konsequent um.

Ein Politikwechsel ist nötig!

Die seit 1999 im Amt befindliche Koalition verwaltet selbstgenügsam Stillstand und Abbau. Damit kann das Land seine Zukunft nicht gewinnen. Ein Politikwechsel und Landesumbau sind nötig. Nur mittels realer wirtschaftlicher und sozialer Veränderungen kann Brandenburg gesunden und seine Krise überwinden.